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Mit Highspeed auf der Überholspur: Die Erfolgsgeschichte der Eisenbahn in China

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Susanne Stock

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Wenn man über Chinas Eisenbahn spricht, kommt man an beeindruckenden Rekorden und Superlativen kaum vorbei. Das Land verfügt über das mit Abstand größte Hochgeschwindigkeitsnetz der Welt, errichtet in einem beispiellosen Tempo und einem gigantischen Investitionsvolumen, gepaart mit konkurrenzlos niedrigen Kosten. Wie hat China es geschafft, innerhalb weniger Jahrzehnte eine derartige Infrastruktur zu entwickeln?

Strategisches Denken als Motor des Fortschritts

China ist bekannt für seine langfristigen Planungen und zielgerichteten Strategien. Von der Industrie über die Digitalisierung bis hin zu politischen Fragen verfolgt das Land einen klaren Kurs. So ist es auch im Bereich der Eisenbahninfrastruktur: In den späten 1990er-Jahren beschloss die chinesische Regierung, das Land mit einem Netz von Hochgeschwindigkeitszügen zu verbinden, um der mit der Entwicklung der sozialistischen Marktwirtschaft wachsenden Urbanisierung gerecht zu werden. Ein mutiger Schritt, der schon bald zu beeindruckenden Ergebnissen führen sollte.

Denn kurz darauf begann China, in rasantem Tempo Hochgeschwindigkeitsstrecken zu bauen. 2003 rechnete man noch mit einer Baugeschwindigkeit von 8.000 Kilometern innerhalb von 30 Jahren. Im gleichen Jahr gingen die erste reine Hochgeschwindigkeitsverbindung, die Passenger Dedicated Line (PDL) Shenyang – Qinhuangdao, sowie der Transrapid-Transfer zum Flughafen in Shanghai in Betrieb.

Schon zehn Jahre später, 2013, hatte das Netz über 10.000 Kilometer erreicht – mehr als alle Hochgeschwindigkeitsstrecken in ganz Europa zusammen.

Ein Streckennetz, das die Welt umrundet

Heute umfasst Chinas Hochgeschwindigkeitsnetz über 45.000 Kilometer. Das ist genug, um die Erde einmal zu umspannen! 

So wurde im April 2024 beispielsweise die Strecke Chizhou – Huangshan in Betrieb genommen. Andere Strecken werden im Laufe des Jahres fertiggestellt, weitere sind in Bau oder Planung. Nahezu alle Städte mit mehr als 200.000 Einwohnern sind mittlerweile an das Bahnnetz angeschlossen, 80 Prozent davon auch an das Hochgeschwindigkeitsnetz.

Dieses beachtliche Wachstum ist auf massive Investitionen zurückzuführen. Allein in den ersten fünf Monaten des Jahres 2024 flossen über 228 Milliarden Yuan in den Ausbau der Bahn, das sind 10,8 % mehr als im Vorjahr. Doch wie ist es möglich, solche Projekte in so kurzer Zeit und mit verhältnismäßig niedrigen Kosten umzusetzen?

Effizienz durch Planung und Standardisierung

Neben den staatlichen Investitionen ist die Kombination aus staatlicher Planung und wirtschaftlicher Umsetzung der Schlüssel zum Erfolg. Während viele westliche Länder Jahre oder sogar Jahrzehnte für den Bau von Hochgeschwindigkeitsstrecken benötigen, schafft China dies oft in einem Bruchteil der Zeit. Und zu deutlich geringeren Kosten: Sie sollen bei höchstens zwei Drittel der Kosten für Hochgeschwindigkeitsstrecken im Rest der Welt betragen. 

Die Gründe dafür liegen in den niedrigen Arbeitslöhnen in China, aber auch in der groß angelegten Standardisierung von Bauelementen und der Entwicklung von projektübergreifenden Kapazitäten für die Herstellung und den Bau von Ausrüstungen. Das ermöglicht eine effiziente und kostengünstige Produktion und die Verteilung der Kosten auf viele Projekte. 
Was außerdem zur schnellen Bauleistung beiträgt, ist sicherlich dem chinesischen System zuzuordnen – oder anders herum gesagt: Was in anderen Ländern zur Verzögerung von Bahninfrastrukturprojekten beiträgt, nämlich lange Genehmigungsverfahren mit Anhörung der Betroffenen, Rechtstreitigkeiten durch mehrere Instanzen oder gar Blockaden durch Umweltschützer, findet in der Volksrepublik schlichtweg nicht statt.

Eisenbahn in China: Zug schlägt Flugzeug

Die Effizienz des chinesischen Hochgeschwindigkeitsnetzes zeigt sich besonders im Vergleich zum Luftverkehr. Auf Strecken wie Peking–Shanghai hat der Zug dem Flugzeug längst den Rang abgelaufen. Obwohl die Zugfahrt etwas länger dauert als der Flug, wird die Zeitersparnis durch die schnelle Anreise zum Bahnhof und die häufigen Verbindungen wieder ausgeglichen. Zudem sind die Fahrkarten günstiger und die Züge pünktlicher. Kein Wunder also, dass viele inländische Flugrouten mittlerweile Konkurrenz von der Schiene bekommen.

Bis 2025 werden laut der Studie „Impact of High-Speed Rail on China’s Big Three Airlines“ bis zu 80 % der Inlandsflüge in China mit Hochgeschwindigkeitszügen konkurrieren müssen. Schon jetzt verzeichnen die Bahnstrecken jährliche Passagierzuwächse von rund 30 %.

Infrastrukturelle Besonderheiten

Die Hochgeschwindigkeitsstrecken umfahren in der Regel die Stadtzentren weitläufig. Dafür wurden neue Fernbahnhöfe wie Peking Süd oder Zhengzhou Ost gebaut, die mit der U-Bahn an City und  Flughafen angebunden werden.   

Für viele Streckenabschnitte wurden Ingenieurbauwerke errichtet – darunter sehr beeindruckende. So führt die Hochgeschwindigkeitsstrecke Peking – Shanghai über die Danyang-Kunshan Brücke. Mit einer Länge von knapp 165 Kilometern ist das Viadukt die längste Brücke der Welt und führt nicht nur über den Yangtze, sondern auch mehr als 150 breite Flussarme, Reisfelder, Seen und Ortschaften. Auch hier wurden wieder Rekorde gebrochen: Die Brücke wurde in nur vier Jahren gebaut und hat 8,5 Mrd. USD gekostet. 

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Beeindruckend ist auch der Taihang-Gebirgstunnel, der mit 27,84 Kilometern der längste Tunnel einer Hochgeschwindigkeitsstrecke ist. Das Durchqueren mit einem Tempo bis 350 km/h verkürzt die Fahrt von Shijiazhuang nach Taiyuan von sechs auf gerade mal eine Stunde. 

Zur Sicherung des Zugbetriebs wird das CTCS-System eingesetzt, das technisch eng mit dem ECTS-System verwandt ist. 

​​Innovationen: China entwickelt weiter

Doch China ruht sich nicht auf seinen Erfolgen aus. Unverändert werden neue technologische Spitzenleistungen entwickelt. Wir stellen zwei Innovationen vor:

Leicht und modern: Carbon Star Rapid Transit

Im Juli 2024 wurde der wohl leichteste Zug der Welt vorgestellt: Der Carbon Star Rapid Transit, auch bekannt als Cetrovo 1.0, besteht fast ausschließlich aus mit Kohlenstofffasern verstärktem Kunststoff (CFK). Selbst der Rahmen des Drehgestells, der die Achsen samt Rädern trägt, wurde aus dem Material gefertigt, das fünfmal härter als Stahl sein soll, dafür aber nur einen Bruchteil davon wiegt:

Insgesamt bringt der Cetrovo 1.0 11 Prozent weniger als ein herkömmlicher Zug auf die Waage und verbraucht 75 Prozent weniger Energie. Dadurch werden jährlich rund 130 Tonnen Kohlendioxidemissionen eingespart.

Der Carbon Star Express soll noch 2024 auf der ersten U-Bahn-Linie von Qingdao in Betrieb genommen werden. Er ist für eine Höchstgeschwindigkeit von 140 km pro Stunde ausgelegt und arbeitet vollautomatisch und fahrerlos.

Hyperloop schneller als ein Flugzeug

Neben dem leichtesten Zug soll es auch den schnellsten geben: Bis 2035 will China außerdem eine erste kommerzielle Hyperloop-Strecke bauen. Sie soll 175 km lang werden und Shanghai mit Hangzhou verbinden. Erste Testfahrten des T-Flight im Februar und Juli 2024 ergaben eine Spitzengeschwindigkeit von 623 km/h – auf nur zwei Kilometern Länge. Mittels Magnetschwebetechnik und Unterdruckröhren wird aus High Speed UHS: Ultra-High Speed.

Die zweite Testphase soll über 60 Kilometer gehen und dann auf 1.000 km/h beschleunigen können. Der staatliche chinesische Rüstungskonzern Casic, der für den Bau verantwortlich ist, spricht sogar von möglichen Geschwindigkeiten von bis zu 4.000 km/h. Zum Vergleich: Passagierflugzeuge haben eine Reisegeschwindigkeit zwischen 700 und 900, in Ausnahmefällen auch mal 1.100 km/h. Es bleibt abzuwarten, ob sich diese extrem teure, sehr energieintensive Technik angesichts der aktuellen wirtschaftlichen Probleme Chinas durchsetzen wird. 

Mit dem T-Flight bricht China seinen eigenen Rekord: Bislang war der schnellste Zug der Welt der Shanghai Transrapid (Shanghai Maglev Train/SMT.)

Kritik an Technologietransfer und Wettbewerb

Trotz dieser beeindruckenden Fortschritte gibt es auch kritische Stimmen zur Art und Weise, wie China technisches Wissen erlangt hat. Durch politische Vorgaben und geschickte Verhandlungen wurden in den letzten Jahrzehnten westliche Unternehmen ins Land geholt. Sie mussten mit chinesischen Partnern kooperieren, die die Mehrheit der Anteile an den Joint Ventures halten, wodurch der Technologietransfer gesetzlich gefordert wird. Technologietransfer und Produktion in China wurden gesetzlich vorgeschrieben. 

Ein Beispiel sind die Hochgeschwindigkeitszüge, die aus Ausschreibungen von 2004 und 2005 hervorgingen. Der CRH1 enthält Bombardier-Technik (Regina- und Zefiro), der CRH2 entstammt der Shinkansen-Familie (E2). Der CRH3 wiederum stammt von Siemens Mobility (Velaro), der CRH5 von Alstom (Pendolino).   Eine Nummer 4 gibt es nicht, da die Ziffer als Unglückszahl gilt. Die meisten Modelle wurden in Lizenz in China produziert und bilden die Grundlage für moderne, vollständig chinesische Züge. 

Dadurch hat China es geschafft, sich in den letzten Jahren zunehmend von westlicher Technologie unabhängig zu machen. Mit eigenen Patenten und Standards bewirbt sich das Land nun auf dem Weltmarkt und tritt in Wettbewerb mit etablierten Herstellern. Allerdings zu konkurrenzlosen Konditionen: 

Ein wesentlicher Vorteil Chinas ist die kostengünstige Arbeitskraft.Deshalb kann das Land seine Entwicklungen zu sehr geringen Preisen in anderen Ländern anbieten. Innerhalb der Branche fällt da schon mal das Wort Preisdumping. 

Fazit

Chinas Erfolg im Eisenbahnsektor ist beeindruckend und ein Symbol für die rasante wirtschaftliche Entwicklung und technologische Innovation des Landes. Kein anderes Land hat es geschafft, in so kurzer Zeit ein so umfassendes Hochgeschwindigkeitsnetz zu errichten. Die Effizienz, die hinter diesem Mammutprojekt steckt, ist bewundernswert, ebenso wie die technologischen Innovationen, die China kontinuierlich vorantreibt.

Dabei bleibt es spannend zu beobachten, wie sich diese Entwicklung in den kommenden Jahren fortsetzt – und welche Superlative das Land als nächstes erreicht.Während China zweifellos zu einem Global Player in der Eisenbahnindustrie geworden ist, bleibt abzuwarten, ob es langfristig auch die Herausforderungen bewältigen kann, die mit seinem ambitionierten Tempo einhergehen.